So läuft es bei Kinder- und Jugendwohnen Herz 2.0
Die aktuelle Corona-Situation ist für niemanden leicht, aber die Leidtragenden sind häufig die Kinder: Freunde treffen oder den Sportverein besuchen, ist aktuell nicht möglich. So geht es auch den Kindern aus dem Kinder- und Jugendwohnen Herz 2.0. Diese dürfen jetzt, in der zweiten Welle, zwar noch die Schule besuchen, aber die Familien bleiben außen vor: Die Kinder dürfen ihre Eltern und Großeltern aktuell nicht sehen. „Wir haben uns hier ziemlich abgeschottet, um uns sicher zu fühlen“, erklärt Thomas Schmidt, Leiter der Einrichtung.
Bis zu elf Kinder leben dort, dazu kommen neun Betreuende. Sie alle kommen aus verschiedenen Haushalten. Das Infektionsrisiko ist also hoch und muss an anderer Stelle minimiert werden. „Da muss man Wege gehen, die schwierig sind, um gewährleisten zu können, dass alle gesund bleiben.“ Alle Schritte erfolgen in Abstimmung mit dem Jugendamt des Burgenlandkreises.
16 neue alte Stühle
Da kommt der Verkauf der ausrangierten Kinostühle des Zeitzer Kinos gerade recht. Nach einem Anruf bei der Wohnungsbaugesellschaft Zeitz mbH, die den Verkauf der Stühle verwaltet, erhielt Thomas Schmidt die Zusage für 16 Kinostühle. Elke Starke-Kreil, Leiterin der Mohrenapotheke, die schon lange eng mit der Kinder- und Jugendwohngruppe zusammen arbeitet, schenkt den Kindern zudem zu Weihnachten eine Popcornmaschine. Und so soll im bislang noch ungenutzten Freizeitraum der Einrichtung ein kleines Kino entstehen und im Entstehungsprozess und vor allem danach Ablenkung von der schwierigen Lage bieten. Ein Kino gab es zwar schon während der ersten Welle, doch die Stühle waren unbequem und der Beamer nur geliehen.
Mit dem neuen Kino sollen Highlights, vor allem für die Wochenenden, geschaffen werden, die Zerstreuung vom strukturierten Wochenplan ermöglichen. Auch Freunde und Freundinnen dürfen die Kinder dann mitbringen oder ihren Geburtstag im Kino feiern, sofern Corona es zulässt. „Für die Kinder ist es etwas Einmaliges. Es ist nicht gang und gäbe, das man sowas hat“, sagt Schmidt stolz. Die Filme sollen dann von DVD oder verschiedenen Streamingportalen laufen, alles entsprechend der Altersstruktur und unter Anwesenheit der Betreuenden. Doch noch ist etwas Geduld gefragt: Der erste Film wird erst im Frühjahr über die Leinwand flimmern. „Dieses Jahr ist die Zeit einfach zu knapp. Das ist kein Projekt, das innerhalb von einer Woche über die Bühne geht“, erklärt Schmidt.
Bis es so weit ist, gibt noch viel zu tun. Der Raum muss eingerichtet und gestaltet werden, wobei die Kinder der Einrichtung tatkräftig mit anpacken und eigene Ideen umsetzen werden. „Da haben wir die Erfahrung gemacht, dass die Sachen einfach ganz anders geschätzt werden, wenn die Kinder selbst mitgemacht haben.“
Eigenleistung gefragt
Vieles wird in Eigenleistung passieren, um zu vermitteln, dass manches Arbeit macht, aber dadurch auch etwas geschaffen wird. Doch bei ein paar Dingen braucht selbst eine so aktive Gemeinschaft, wie die Kinder- und Jugendwohngruppe Unterstützung. So wird das Zeitzer Kino beispielsweise Filmplakate zur Verfügung stellen, wenn es so weit ist, um ein authentisches Kinogefühl zu vermitteln. Außerdem wird eine Firma gesucht, die sich um die technische Komponente, also etwa den Beamer, kümmert. Der muss noch angeschafft und installiert werden und soll später auch für Weiterbildungszwecke genutzt werden.
Aktuell leben neun Kinder im Alter von acht bis 16 Jahren in der Einrichtung, deren Trägerschaft bei der Diakonie Naumburg-Zeitz liegt. Um die Kinder von dem durchgetakteten Alltag und den Corona-Einschränkungen ablenken zu können, lassen sich die Mitarbeitenden gern etwas einfallen. So wurde beispielsweise im Frühjahr ein großes Trampolin angeschafft, ein Pool aufgebaut oder eine ausrangierte Rutsche wieder nutzbar gemacht. Sogar ein Urlaub in Österreich wurde ermöglicht.
„Aus meiner Sicht ist Corona auch eine Chance”
„Durch die erste Corona-Welle sind wir gut gekommen, trotz Home-Schooling und dem damit verbundenen Stress“, sagt Schmidt. Für die schulische Betreuung im Haus erhielt die Einrichtung sogar Unterstützung durch ehrenamtliches Lehrpersonal, um die Kinder so gut es ging schulisch unterstützen zu können. „Am schwersten“, so Schmidt, „ist die Unklarheit, die unklare Perspektive. Die Kinder stellen Fragen, die Mitarbeitenden stellen Fragen, man selber hat Fragen und weiß eigentlich keine Antworten.“
Aber er könne auch Positives aus der Situation ziehen: Die Kinder hätten ihr Gruppengefühl gestärkt und ein völlig neues Zusammenleben entwickelt. Die Zeit konnte auch genutzt werden, um die Zimmer der Kinder neu zu gestalten. Schmidt resümiert: „Aus meiner Sicht ist Corona auch eine Chance, weil bestehende Sachen nicht mehr funktionieren und so neue Möglichkeiten geschaffen werden.“ Die nächste Zielstellung ist Weihnachten und vor allem, zu ermöglichen, dass die Kinder an Weihnachten zu ihren Familien dürfen.
MZ vom 30.11.2020
Text und Bild: Michèle Jagiella