Naumburg – Ihre Erinnerungen an die Zeit vor 60 Jahren sind noch frisch. „Wir teilten uns zu viert ein Zimmer. Hier stand mein Bett“, sagt Hanna Bartsch, die in den 50er-Jahren während ihrer Ausbildung zur Katechetin im Haus gelebt hatte. Die 87-jährige zeigt auf einen Teil des Raumes, schaut wenig später aus einem der großen Fenster. Die Naumburgerin kennt die besondere Historie des stattlichen Gebäudes mit der Nummer 4 in der Lepsiusstraße, das nun nach trostlosen Jahren der Leere wieder mit Leben gefüllt wird.
Die Diakonie Naumburg-Zeitz feierte am Freitag Richtfest für die Villa Lepsiusstraße, für eine künftige Wohnanlage, in der zwei selbst organisierte und ambulant betreute Wohngemeinschaften sowie vier altersgerechte Wohnungen entstehen werden. Zum Festakt kamen neben Mitarbeitern des freien Trägers auch Vertreter der baubeteiligten Firmen. Architekt Jan Deusch führte durch das Haus, um über die Geschichte, Gegenwart und Zukunft sowie dessen bauliche Besonderheiten zu berichten. „Mischen Sie sich ein, wenn Sie Erinnerungen haben“, richtete er seine Worte auch an jene, die einst hier gewohnt haben; Familien sowie Jahre zuvor die Katecheten in der Ausbildung. Neben Hanna Bartsch nutzten so auch Johanna Merker und Cordula Schlemmer das Richtfest, um Erinnerungen auszutauschen. Dass das Haus eine neue Nutzung erfährt, stimmt sie froh. Regelmäßig führen ihre Wege sie an dem verlassenen Grundstück vorbei, das derzeit eine große Baustelle ist.
Friedhelm Fiedelak, Präses des Kirchenkreises Naumburg-Zeitz, erinnerte in seiner Rede an die Vergangenheit, als Christen, die im „staatlichen Umfeld nicht erwünscht waren“, ein Zuhause fanden. Zugleich blickte er voraus: „Wir haben lange überlegt, was mit dem Haus werden soll, und sind nun froh über die künftige Nutzung.“
Das 1912 errichtete Gebäude, das Eigentum des Kirchenkreises ist, wird ab dem kommenden Sommer zwei Wohngemeinschaften für Senioren sowie vier altersgerechte Wohnungen beherbergen. Im Oktober 2020 soll der Betrieb aufgenommen werden, so sehen es die Pläne der Diakonie als Bauherr und späterer Betreiber vor. Die Wohngemeinschaften, in denen Senioren zusammen leben und je nach Bedarf ambulante Pflege und Unterstützung in Anspruch nehmen, seien laut Diakonie-Geschäftsführer Siegfried Kosdon ein Konzept der Zukunft und bisher noch kaum verbreitet. „Anders als in einem Seniorenheim ermöglicht eine Wohngemeinschaft ein engeres nachbarschaftliches Wohnen und eine andere Qualität, um unter anderem auch dem nicht gewollten Alleinsein zu begegnen“, so Kosdon, der allen am Bau Beteiligten dankte und den Posaunenchor Flemmingen als musikalischen Gast begrüßte.
Hanna Bartsch hat als Katechetin in Ausbildung in dem Haus gewohnt.
Während die Wohngemeinschaften und Wohnungen in den beiden Obergeschossen eingerichtet werden, zieht in das Kellergeschoss die Geschäftsstelle der Diakonie Naumburg-Zeitz ein, die damit ihr noch derzeitiges Domizil in der Jakobsstraße verlassen wird. In das Vorhaben Lepsiusstraße fließen rund 2,3 Millionen Euro. Das Projekt wird mit Mitteln des Evangelischen Kirchenkreises Naumburg-Zeitz sowie der in Hamburg ansässigen Stiftung Deutsches Hilfswerk (DHW) gefördert. Über das DHW fließen die Erlöse aus dem Losverkauf der Deutschen Fernsehlotterie in soziale Projekte in ganz Deutschland.
Naumburger Tageblatt vom 14.10.2019
Text: Constanze Matthes
Fotos: Torsten Biel