Bekenntnisse vor großem Publikum

Therapiehof Sotterhausen über Drogen

Jaqueline Klingler von der Drogenberatungsstelle organisiert Gastspiel:
Drogen sind Scheiße“, sagt Patrick. Ernste Worte sind es, die der Leipziger nach einem humorvollen Stück äußerte. Vor sich die voll besetzten Stuhlreihen in der Aula der Freien Schule „Jan Hus“ in Naumburg. Der 22-Jährige war noch wenige Minuten zuvor als windiger Waschbär Richie auf der Bühne zu erleben gewesen. Gemeinsam mit neun weiteren Patienten des Therapiehofes Sotterhausen bestritt der junge Mann das Stück „Ab über die Mauer“ in Anlehnung an den Animationsfilm „Ab durch die Hecke“. Nach rund 45 Minuten begann die Zeit der Bekenntnisse. Alle Mitspieler der Aufführung erzählten offen von ihren Erlebnissen: Wie sie in die Sucht gerutscht sind, welche Drogen konsumiert wurden, wie sie diese finanziert haben. Nach manchen Aussagen herrschten im Anschluss Momente der Stille und Betroffenheit.Bandbreite an Drogen
Einige kennen die ganze Bandbreite an Drogen - von Alkohol und Cannabis über Heroin bis hin zu Crystal Meth. Die Auslöser der Sucht sind genauso verschieden: Einerwurde gemoppt, eine andere suchte Entspannung. Es gab Leistungsdruck. Die Eltern sind Trinker. Die Auswirkungen sind drastisch - auf vielen Ebenen. Die meisten haben den Anschluss an ihre Familie sowie den Partner verloren. Manche leiden an psychischen Erkrankungen, alle unter dem Suchtdruck, der ein „schlimmes Gefühl bereitet“, wie einer bemerkt. Ein anderer steht wegen Drogenhandels vor Gericht. In gut zehn Jahren habe er rund 100.000 Euro für Drogen ausgegeben, erzählt er.Ein halbes Jahr Therapie
Dass sie in dieser Weise über ihre Vergangenheit sprechen, überhaupt die Kraft und Konzentration finden, auf einer Bühne aufzutreten, ist das Ergebnis der Arbeit im Theraphiehof, der, nahe Sangerhausen gelegen, junge Abhängige im Alter zwischen 17 und 32 Jahren behandelt. Ein halbes Jahr dauere die Therapie im Anschluss einer Entgiftung, berichtete die leitende Therapeutin Kerstin Bartsch. Zweimal im Jahr arbeitet die Theatergruppe unter Leitung der Theaterpädagogin Angelika Frenzel und der Bezugstherapeutin Kerstin Bartsch an einem neuen Stück, das schließlich jeweils im Haus oder an anderen Orten gezeigt wird. Nach der Inszenierung erhielt das Ensemble lautstarken Applaus. „Ihr habt so unglaublich unvermittelt agiert und hattet eine wunderbare Energie“, lobte Theaterpädagogin Katja Preuß. Weitere Zuschauer zollten gegenüber den jungen Suchtkranken ihren Respekt. Ihre Ausführungen seien anschaulich und bildhaft gewesen, bemerkte Diakonie-Mitarbeiterin Jacqueline Klingler. Die Suchtberatung zeichnete in Kooperation mit der Schule für das Gastspiel verantwortlich.

Für ihr weiteres Leben haben die Mitglieder der Theatergruppe alltägliche Wünsche: Ausbildung, Studium, Job, eine Familie, in einem Verein Fußball spielen, den Führerschein zurückerhalten. Jedoch wollen alle weiter abstinent leben. Allerdings gelingt dies nur fünf Prozent der Patienten mit dem ersten Klinik-Aufenthalt. Neben Zuversicht herrscht deshalb auch eine gewisse Angst.

Text: Constanze Matthes
Foto: Torsten Biel
Quelle: https://www.naumburger-tageblatt.de/28507726 ©2017

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