Odyssee mit gutem Ausgang

WOHNPROJEKT Kirchenkreis und Diakonie begehen feierliche Schlüsselübergabe für die Villa Lepsiusstraße. Nach der ersten Idee 2007 steht Mitte November Einzug an.

NAUMBURG - Von der Terrasse schweift der Blick über Naumburg, über Häuserdächer und Straßen, zu den vier Türmen des Doms und denen der anderen Kirchen. „Die Terrasse ist das Sahnestück“, sagt Annemarie Müller lächelnd. Ihr Mann Christoph hält einen Zollstock in der Hand. Beiden steht Mitte November der Umzug bevor. Sie werden die Burgstraße verlassen, um in Kürze in einer 100 Quadratmeter großen Wohnung in der Villa Lepsiusstraße zu leben. „Wir sind mächtig gespannt“, sagt Annemarie Müller, einst Pfarrerin in Kirchscheidungen.

Zur feierlichen Schlüsselübergabe hatten Kirchenkreis und Diakonie am Freitag alle an diesem Wohnprojekt Beteiligten, Partner, Firmen wie künftige Mieter, eingeladen; gut ein Jahr nach dem Richtfest (wir berichteten damals ausführlich). Als eine Odyssee mit gutem Ausgang bezeichnet der Dresdener Architekt Jens Deusch das mehrjährige Vorhaben, das 2007 erstmals als Idee Gestalt annahm. Er berichtet über die Reise durch den Kirchenkreis auf der Suche nach einem geeigneten Objekt, verweist auf zahlreiche Hürden und Anläufe, nennt unter anderem die Kostendynamik im Bau, finanzielle Schwierigkeiten sowie die Besonderheiten des Gebäudes. „Das Haus ist ein Parallelogramm. Es gibt darin keinen rechten Winkel“, so Deusch, der den beteiligten Firmen sein Lob aussprach: „Es war eine super Arbeit, sie haben immer alle an einem Strang gezogen.“

In das Hanggeschoss der 1913 errichteten Villa zieht Mitte November die Geschäftsstelle der Diakonie ein. „Unsere Beratungsstelle verbleibt jedoch an Ort und Stelle in der Jakobsstraße“, betonte Geschäftsführer Siegfried Kosdon. Im ersten und zweiten Geschoss werden jeweils eine Wohngemeinschaft mit je sechs Personen leben - altersgerecht und selbstständig. Derzeit befände man sich im Prozess der Konstituierung. „Es gibt dafür reges Interesse“, so Kosdon. Im oberen Mansardengeschoss sind drei Wohnungen entstanden, die alle bereits vermietet sind. Die geplanten Kosten liegen bei rund 2,54 Millionen Euro. Finanzielle Hilfe reichte die Stiftung Deutsches Hilfswerk, der Kirchenkreis Naumburg-Zeitz und die Sparkasse aus. Begleitet wurde das Vorhaben maßgeblich durch die Kewog Städtebau GmbH aus Weißenfels. Die Immobilie, die einige Jahre leer gestanden hat, befindet sich in Besitz der evangelischen Kirchengemeinde Naumburg, die mit der Diakonie einen Erbpachtvertrag eingegangen ist.

Ingrid Sobottka-Wermke blickt zurück auf die wechselvolle Historie des Hauses, das viele Geschichten erzählen könnte. Die Superintendentin erinnert an die Zeit, als Schüler des kirchlichen Proseminars untergebracht waren, später Mietwohnungen entstanden sind. „Es ist ein würdiges Haus, dass bereits so viele Menschen beherbergt hat, die an Gott vertraut haben. Mögen deren gute Geister weiter hier leben“, so Ingrid Sobottka-Wermke. Begleitet wurde die feierliche Schlüsselübergabe vom Posaunen-Chor Flemmingen. Die Gäste erhielten die Gelegenheit zu einem Rundgang durch das Haus.

Vorbild ist in Teuchern zu finden

Errichtet wurde die Stadtvilla in der Lepsiusstraße 4 im Jahr 1913. Davon kündet fortan eine steinerne Tafel am Gebäude. In den 1920er Jahren erhielt das Haus einen Anbau. In der Zeit der DDR waren Schüler des kirchlichen Proseminars untergebracht. Später wurden Mietwohnungen eingerichtet. Erneuert wurden nun Heizung, Lüftung, Elektrik, Fenster und Dach. Ein Fahrstuhl wurde eingebaut, eine Dämmung angebracht. Einige Restarbeiten stehen noch aus, wie Diakonie-Chef Siegfried Kosdon erzählte. Vorbild des Senioren-Wohnprojekts sind das St. Georg Stift und das Barbara-Haus in Teuchern, die ebenfalls in den Händen der Diakonie Naumburg-Zeitz liegen.


Naumburger Tageblatt 10.10.2020
Text: Constanze Matthes
Foto: Torsten Biel