Starthilfe für ein neues Leben

Links neu in der Stelle: Daniela Machner.

Diesen einen Satz konnte Christine Weise nie leiden: „Wir holen sie da ab, wo sie stehen.“ Aber er stimmt, gesteht die 63-Jährige. Mit „sie“ sind ihre Klienten gemeint. Menschen, die an einer Sucht erkrankt sind. Deren Leben infolge der Abhängigkeit völlig aus den Bahnen geraten ist. Und in die sie nur mit fremder Hilfe wieder zurückfinden. Um zu helfen, muss man den Betroffenen auf Augenhöhe begegnen, sie so nehmen, wie sie sind. Das hat Weise schnell gelernt bei ihrer Arbeit in der Sucht- und Drogenberatung Zeitz. Als Sozialarbeiterin hat sie zahlreiche Menschen betreut, ihnen zu einer Therapie verholfen und den Weg zurück in ein suchtfreies Leben geebnet.
Nun, anderthalb Jahre nach Eröffnung der Beratungsstelle der Diakonie in der Friedensstraße, geht Weise in den Ruhestand. „Ich habe das gerne gemacht, aber jetzt ist Zeit zum Durchatmen“, sagt sie. Schwerer wiegt der Abschied für Susen Lups. „Ich lasse sie wirklich nur ungern los“, sagt die Sozialpädagogin, die den Einsatz ihrer Kollegin zu schätzen weiß.

Für ihre Klienten hat Christine Weise oft mehr getan, als man von ihr verlangte

Denn Christine Weise ist kein Mensch, der Dienst nach Vorschrift gemacht hat. Für ihre Klienten hat sie oft mehr getan, als man von ihr verlangte. Sie erinnert sich an einen jungen Mann, der unbedingt eine Therapie beginnen wollte. Dazu aber musste ein Antrag gestellt, ein Suchtbericht vom Klienten verfasst und Formulare von Behörden besorgt werden. Alleine hätte der Mann es nicht geschafft, sagt Weise. Unsicherheit, vielleicht auch Faulheit hätten eine Rolle gespielt. Weise nahm die Sache in die Hand, begleitete ihn zur Krankenkasse, füllte gemeinsam die nötigen Unterlagen aus. Sie brachte ihren Klienten sogar zum Zug, damit er die Therapie wirklich antritt. Inzwischen hat er diese erfolgreich abgeschlossen. Weise sagt das sachlich, aber auch mit Stolz, denn ihr Bauchgefühl hat sie nicht getäuscht. „Ich habe gemerkt, dass das nicht umsonst war.“
Bei allen Klienten wäre ein solcher Aufwand jedoch nicht zu leisten. Denn allein 2016 nahmen insgesamt 222 Menschen - 163 Männer und 59 Frauen - die Hilfe der zwei Suchtberaterinnen in Zeitz in Anspruch. Rund die Hälfte der Klienten war alkoholabhängig. Mehr als ein Viertel konsumierte Crystal. Doch die Sucht ist in der Regel nicht das einzige Thema, mit dem die Betroffenen zu kämpfen haben. Häufig kommen familiäre Probleme, Arbeitslosigkeit und Schulden hinzu. Weise spricht von Multiproblemfällen.

Suchtberaterin: Entzug mit anschließender Therapie reicht nicht aus

Aus ihrer Erfahrung weiß sie, dass ein Entzug mit anschließender Therapie nicht ausreicht, um diesen Menschen zu helfen. „Viele haben sich in ihrer Sucht eine eigene Welt geschaffen“, erklärt sie. Was kaputt gegangen sei, müsse nach und nach wieder aufgebaut werden. Doch das klingt leichter, als es ist. Laut Weise wissen viele Suchtkranke gar nicht mehr, wie ein normales Leben aussieht. Das müsse gemeinsam wieder erarbeitet werden - etwa durch das Vereinbaren von Terminen bei der Schuldnerberatung oder beim Jobcenter.
Diese Betreuung werden Weises Klienten auch zukünftig erhalten. Ihren Platz in der Suchtberatung wird Daniela Machner einnehmen. Für die 28-Jährige ist es keine neue Tätigkeit. Machner ist studierte Sonder- und Integrationspädagogin und hat zuvor bei der Suchtberatung in Gotha gearbeitet. Ihre Nachfolgerin hat Weise bereits kennengelernt, was ihr den Abschied ein Stück weit erleichtert. „Ich habe die Gelassenheit zu gehen“, sagt sie, „weil ich weiß, dass alles nahtlos weitergehen kann und meine Klienten gut versorgt sind.“ (mz)

Bildunterschrift: Daniela Machner (links) wird Christine Weise (Mitte) in der Suchtberatung ablösen und dort Susen Lups (re.) unterstützen.

Text: Christiane Rasch
Foto: Hartmut Krimmer
Quelle: Mitteldeutsche Zeitung